Jessen - Wie viel Wolf verträgt unsere Heimat? Diese Frage zog sich am Freitagabend durch die Podiumsdiskussion im Jessener „Bergschlösschen“. Eine konkrete Zahl wurde nicht genannt, aber klare Grenzen müssten gesetzt werden. Das forderten alle drei Gesprächspartner in der von Bundestagskandidat Sepp Müller moderierten Veranstaltung des CDU-Kreisverbandes.
Kreisjägermeister Klaus Seibicke sprach sich für einen minimalen Wolfsbestand aus, „der nicht auffällt in seiner Schadwirkung“. „Es können nur so viele sein, wie die Gesellschaft will“, meinte Guido Heuer, agrarpolitischer Sprecher in der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt. Dabei müssten aber die Interessen aller berücksichtigt werden und nicht allein die der Wolfsbefürworter.
Franz-Hendrik Prinz zu Salm-Salm, Vorsitzender des Waldbesitzerverbandes Sachsen-Anhalt, sprach sich gegen einen weiteren Anstieg der Population aus. Es sollten nicht mehr werden, als jetzt schon da sind. Doch, wie viele sind derzeit unterwegs? Es gebe da ganz unterschiedliche Zahlen, informierte Sepp Müller, der aus verschiedenen Statistiken zitierte. In Sachsen-Anhalt könnten es 78 Tiere sein. Ein Drittel der Wölfe im Land würde sich im Landkreis Wittenberg, aufhalten, meinte Prinz zu Salm-Salm. „Und wir wissen nicht, wo sie sind.“
Für die Kampfhunde gebe es strenge Regeln, aber das Großraubtier könne sich unbeobachtet bewegen, da es nicht mit Sendern versehen sei. Der Chef der 53.000 Waldbesitzer sprach von einem Großraumversuch, in dem der ländliche Raum Sachsen-Anhalts das Labor sei.
Wild reagiert auf Wölfe
Dass kein Wolf einen Sender trage, dem widersprach in der Diskussion Martin Steinert, der sich im Wolfsmonitoring engagiert. In der Glücksburger Heide, sei eine etwa zweijährige Wölfin im Rahmen eines Forschungsprojekts der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde besendert worden. Forschungsergebnisse könnten auf der Internetseite der Bildungsstätte eingesehen werden.
Sepp Müller wertete den Verkehrsunfall mit einem Wolf zwischen Annaburg und Purzien, bei dem das Tier getötet wurde, als Beleg, dass sich die Raubtiere auch in der Nähe von Siedlungen aufhalten. Neben den nicht abschätzbaren Gefahren für Menschen, zu denen in der Debatte mehrfach spekuliert wurde, rückten Probleme in der Landwirtschaft ins Blickfeld.
Das Wild passe sich den neuen Gegebenheiten an. „Es bilden sich Angstrudel“, sagte Prinz zu Salm-Salm. Rot- und Schwarzwild würde sich in Regionen aufhalten, in denen so etwas bislang nicht bekannt war, äußerte Klaus Seibicke. So würde derzeit ein Großrudel Hirsche auf Feldern bei Zallmsdorf drastische Schäden hinterlassen.
Salm-Salm ergänzte dass Hirschrudel in einer Nacht Schäden von mehreren tausend Euro anrichten können.
Umweltverbände fehlen. Die Wolfspopulation sei nicht mehr beherrschbar, bekräftigte Hartmut Steiner, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Die Schäden durch Wild seien unerträglich. Zudem könne der ständige Schutz von Nutztieren auf der Weide nicht gewährleistet werden. „Wenn die Population überhand nimmt, müssen wir gegensteuern“, forderte er. Salm-Salm sagte das Ende der Weidehaltung voraus. Der Wolfsschutz sei „das beste Programm für die Stallhaltung der Tiere“. Der Wolf ist als vom Aussterben bedrohtes Tier eingestuft, aber er bedrohe vom Aussterben bedrohte Tiere, so das Muffelwild, äußerte Guido Heuer. „Der Wolf ist ein wunderbares Tier und es geht nicht darum, ihn auszurotten.“ Er forderte eine Wolfsobergrenze. Heuer plädierte für die Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden, Landwirten und anderen Betroffenen.
Zur Diskussion waren auch Experten vom Landesamt für Umweltschutz, des Naturschutzbundes und des BUND eingeladen worden. Doch von ihnen reiste niemand in Jessen an, so Müller. (mz)