Landkreis Wittenberg Wahlergebnis
Wittenberg – So ein Ergebnis muss erst einmal verdaut werden. Die etablierten Parteien haben dramatisch an Zustimmung verloren, der Landkreis Wittenberg macht da keine Ausnahme. Bitter ist nicht zuletzt, dass dem Kreis zumindest ein Landtagsmandat verloren geht – und damit Einfluss in Magdeburg. Der Linke Uwe Loos schafft den Wiedereinzug ins Landesparlament nicht, Listenplatz 24 reicht dafür nicht.
Und auch die Sozialdemokraten im Kreis verlieren ihr Mandat in Magdeburg, das bislang die Kembergerin Corinna Reinecke inne hatte (sie ging zur Arbeiterwohlfahrt und trat nicht mehr an). Ihr Nachfolger Reinhard Rauschning hat keinen guten Listenplatz abbekommen. Dafür ist jetzt ein Mann aus dem Kreis, der der Alternative für Deutschland angehört, im Parlament vertreten: Matthias Lieschke aus Kemberg. Ihre Mandate verteidigt haben die Herren von der CDU: Reiner Haseloff, Frank Scheurell, Siegfried Borgwardt.
Wittenberg mit bestem Ergebnis für CDU
Überhaupt: Die Christdemokraten sind bei aller Erschütterung über den Erfolg der AfD nicht ganz so unzufrieden wie anderenorts. Sie haben im Wahlkreis 24 mit 36 Prozent ihr bestes Ergebnis im Land eingefahren. Die SPD hingegen zeigt sich schwach, liegt gerade mal im Wahlkreis 27 über der Zehn-Prozent-Marke, in Jessen sind es nur 8,7 Prozent geworden. Ähnliches Bild bei der Linken, die bei 14 Prozent hängt in Wittenberg und Jessen, nur in Dessau-Roßlau über 18 Prozent kommt.
Der „Sieger des Abends“, die AfD, ist derweil in Jessen ganz besonders stark – mit stattlichen 26 Prozent, Wittenberg liegt mit 22 Prozent im unteren Mittelfeld der erstaunlichen AfD-Ergebnisse auf Landesebene. Und die Grünen der Region können trotz eines engagierten Wahlkampfes nicht wirklich von Erfolg sprechen. Ganz im Gegenteil. In Jessen landen sie bei schlappen drei Prozent, Dessau-Roßlau mit dem Umweltbundesamt schneidet ein bisschen besser ab: 6,2 Prozent.
„Platte Sprüche“ von der AFD
„Wir haben noch ein recht vernünftiges Ergebnis geholt“, atmet CDU-Kreischefin Bettina Lange am Tag nach der dramatischen Wahlnacht auf. Aber: „24 Prozent für die AfD, zweitstärkste Fraktion, das ist erschreckend. Da hat vielen der Mund offen gestanden.“ Die Christdemokraten müssen jetzt verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen, blickt die Wittenbergerin nach vorn: „Da liegt ein Berg an Arbeit vor uns.“ Sie spricht von Verunsicherung und „platten Sprüchen“ seitens der AfD: „Die demokratischen Kräfte müssen an einem Strang ziehen“, lautet ihr Appell.
Matthias Lieschke ist guter Dinge. „Das Ergebnis zeigt, dass wir angekommen und auf dem Weg zu einer Volkspartei sind“, gibt er sich selbstbewusst. Voraussichtlich 24 Sitze wird die AfD im Magdeburger Landtag haben – in Brandenburg sind es zehn. „Wir sind auf Opposition eingestellt, aber aufgrund der Vielzahl der Abgeordneten hoffe ich stark, dass es einen sachlichen Umgang mit uns geben wird und Anträge nicht von vornherein abgeschmettert werden, bloß weil sie von der AfD kommen“, so Lieschke. Er selbst kenne parlamentarische Arbeit vom Stadtrat in Kemberg und vom Wittenberger Kreistag. Berufspolitiker wolle er jedoch auch als Landtagsabgeordneter nicht werden. „Ich werde meine Firma behalten“, sagt der Inhaber einer Kfz-Werkstatt: „Ich will mich nicht in fünf Jahren darauf angewiesen sehen, wiedergewählt zu werden.“
Standfester Wahlverlierer aus Wittenberg
Der große Wahlverlierer gibt sich „gefasst“. Das zumindest sagt SPD-Kreischef Arne Lietz gestern zur MZ: „Ich bin Wittenberger. Das heißt: standfest. Aus der Ruhe heraus zu den Dingen stehen.“ Daran ändere auch ein so katastrophales Ergebnis nichts. Lietz verweist erst einmal auf den Ministerpräsidenten, der das Flüchtlingsthema „wegnegiert“ habe, er spricht vom „Populismus der Obergrenze“. Immerhin sei die Strategie aufgegangen, im Gegensatz zu der der SPD: „Das Thema ist von der Spitzenkandidatin nicht angegangen worden, da gab es ein Vakuum. Wir haben eine schlechte Kampagne gemacht.“ Ein bisschen was Positives gebe es aus SPD-Sicht trotzdem: Bürgermeister-Kandidat Martin Röthel schaffte es in die Stichwahl.
Nicht drumherum redet Jörg Schindler vom Kreisvorstand der Linken: „Das ist eine schlimme Niederlage, ich bin enttäuscht“. In der Flüchtlingsfrage sei es nicht gelungen, „mit Argumenten der Menschlichkeit durchzudringen“. Er kündigt dennoch an: „Wir werden unsere Haltung nicht ändern. Es geht darum, gemeinsames Zusammenleben zu ermöglichen, allen Ängsten zum Trotz.“ Für die Grünen ist die Zitterpartie überstanden; dass sie das Bangen um den Einzug in den Landtag mitgenommen hat, ist Reinhild Hugenroth am Tag danach anzumerken: „Erst 0.44 Uhr wussten wir, dass wir drin sind. Das ist ein Arbeitssieg.“ Veranstaltungen, Wahlkampfstände, alles im Ehrenamt: „Geklappt hat es trotz Gegenwind“, spielt die Wittenbergerin auf gefälschte Plakate an. Und fügt noch eines hinzu, nicht zuletzt im Blick auf die eigenen Parteifreunde: „Ernsthaftes Sondieren“ in Sachen Koalition sei ihr wichtig.
Ein bisschen angefressen wirkt unterdessen Stefan Kretschmar von den Freien Wählern. Bei all der Aufregung wird von denen wenig Notiz genommen. Dabei hat der Wittenberger ein achtbares Ergebnis erzielt: 8,5 Prozent, Patrick Schubert kommt auf 8,7. Die Freien Wähler schaffen es in Wittenberg über die Fünf-Prozent-Hürde: „Wir hätten den Einzug geschafft, haben hier mehr als FDP oder Grüne.“ Im gesamten Land aber bleiben sie bei knapp über zwei Prozent. Aufgeben ist trotzdem keine Option: „Wir haben ja viele Wähler. Menschen, die demokratisch denken und andere Wege gehen wollen.“ (mz)