Finanzen im Landkreis Wittenberg
Wittenberg – Ach so! Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) möchte vor der wichtigsten Entscheidung das Jahres – der Kreistag befindet am Montag über den Etat 2016 – „die Bürger mitnehmen“. Deshalb lädt er gestern Nachmittag kurzfristig zu einem Pressegespräch ein. Das ist alles sehr löblich. So hat jetzt jeder Einwohner quasi „Last Minute“ die Chance, seine Wünsche doch noch an den Mann zu bringen. Die Zeit drängt – der Countdown läuft schon. Wer jetzt spontan keine zündende Idee hat, dem empfiehlt sich die Forderung nach der Senkung der Kreisumlage. Denn hier ist weniger deutlich mehr – zumindest für die Kommunen, die für diese Umlage zur Kasse gebeten werden. Verbleibt aber mehr Geld in den Orten, muss dort nicht an der Gebühren- oder Steuerschraube gedreht werden. Das freilich ist den Kreistagsmitgliedern sehr wohl bewusst. „Die Belastungsgrenze der kommunalen Familie ist erreicht“, sagt CDU-Fraktionschef Christian Tylsch.
Trotzdem ist bisher Jahr für Jahr ein Phänomen zu erleben, das an die Novelle von Robert Louis Stevenson „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ erinnert. Im realen Leben gibt es politische Doppelgänger. Da wird im Kreistag brav wie eben ein Jekyll der Umlage (aktuell 47,9 Millionen Euro) zugestimmt und dann verwandeln sich Bürgermeister oder Stadträte in ihren Heimatorten plötzlich zu Hyde und wüten über den Finanzbedarf des Kreises.
Eine Neuauflage des Thrillers wird 2016 nicht unbedingt erwartet. Die Forderung der CDU, die Kreisumlage um 319 500 Euro zu senken, ist bereits erfüllt worden. Damit entspricht die Umlage „dem absoluten Betrag von 2015“. Börsianer würden von einer Seitwärtsbewegung sprechen – mit Siegern und Verlierern. „Es gibt erstmals Kommunen, die weniger zahlen“, betont Dannenberg das Positive. Freuen dürfen sich Bad Schmiedeberg (400 Euro weniger), Gräfenhainichen (2 800 Euro), Wittenberg (90 000 Euro) und Zahna-Elster (100 000 Euro). Mehr zahlen müssen Oranienbaum (85 000 Euro), Coswig (47 000 Euro) und Kemberg (40 000 Euro). In diesen Städten wird keiner jubeln. Doch die Abschaffung der Umlage fordert niemand. Ohne sie geht es eben nicht. Anders als die Gemeinden hat der Kreis keine eigenen Steuereinnahmen. Deshalb müssen die Kommunen in die Bresche springen. „Wir sind eine umlagefinanzierte Gebietskörperschaft“, erklärt Kämmerer Björn Einbrodt. Des Geld komme von Bund und Land. Den Rest, etwa 26 Prozent, müssen die Kommunen aufbringen.
Und so ist am Montag nur noch eine offene Frage zu klären. Es geht um die Förderung des Kinder- und Jugendsports. „60 000 Euro stehen zur Verfügung. Das entspricht lediglich 0,04 Prozent des Haushalts“, hat Sepp Müller (CDU) errechnet. Der Finanzexperte seiner Partei wird deutlicher: In punkto Zuwendung für den Nachwuchssport belege der Kreis Wittenberg den letzten Platz im Land. Die CDU fordert Nachbesserung und benennt auch eine Deckungsquelle. Das heißt: Geld ist da und frei verfügbar. Die Christdemokraten konnten mit diesem Vorstoß bisher kaum punkten. „Es gibt eine positive Reaktion vom Kreissportbund“, sagt Tylsch und warnt vor einer falschen Schlussfolgerung, nämlich der, dass die 89 Vereinschefs – einzige Kritikerin ist bisher Gräfenhainichens VfB-Präsidentin Cornelia Kuhnert (FDP) – und die Eltern der 4 500 Kinder mit dem bisherigen Geldsegen zufrieden sind.
Wittenbergs Athleten gehen derzeit mit dem Handicap der geringsten politischen Hilfe gegen die Sportler aus anderen Kreisen an den Start. Wer dies ändern will, sollte jetzt sofort zum Telefonhörer greifen, um dem Verwaltungschef, dem Kämmerer oder dem Politiker seines Vertrauens seine Meinung zur roten Laterne in der Sportförderung kundzutun. Die Entscheidung fällt am Montag ab 16 Uhr in der Cafeteria der Sparkasse. Diese Beratung wird nicht unbedingt ein Thriller, aber Spannung ist garantiert. (mz)