Presseartikel

Artikel vom Pressespiegel Author: Mitteldeutsche Zeitung Wittenberg Druckansicht

Schulbusse im Landkreis

Streit um zu lange Wartezeiten

Wittenberg

Die Zeit im Bus ist eine Schleuse zwischen Schule und Zuhause, ein Zwitter aus Pflicht und Freizeit. Man muss nichts mehr. Aber man muss Bus fahren. Der Motor dröhnt, zum Hausaufgaben machen wackelt es zu sehr, beim Lesen wird einem schnell schlecht. Viele Jugendliche verbringen die Zeit in einer Art Dämmerzustand, zurückgezogen in sich selbst, fast alle mit Stöpsel im Ohr und dem Blick auf das Smartphone. Es gibt Sitzhierarchien und an den ersten Stationen sind die Busse – das beklagen Eltern seit Jahren – überfüllt.

Veränderungen zulasten der Kinder

Es besteht Handlungsbedarf. Das sieht auch der Landkreis so. Doch die Veränderungen, die zunächst in einer Beschlussvorlage stehen, gehen zulasten der Kinder. Die Wartezeit auf den Bus soll um 15 Minuten auf 45 erhöht werden. Das rechnet Sepp Müller (CDU) in den sozialen Medien vor. „Demnach dürfen Grundschüler 2,45 Stunden und Sekundarschüler bis zu 3,5 Stunden hin und zurück unterwegs sein“, hat das Kreistagsmitglied ermittelt und öffentlich gemacht.

Mit diesen Zahlen würde Wittenberg den Spitzenplatz in Deutschland übernehmen. Der längste Schulweg der Republik liegt auf der Insel Rügen zwischen Dranske im Nordwesten und dem Hauptort Bergen (Mecklenburg-Vorpommern). Drei Stunden dauert hier die Tour.

Landrat sei verantwortlich

Das wollte Wittenberg also zeitmäßig noch überbieten, obwohl kilometermäßig solche Strecken im Kreis überhaupt nicht im Angebot sind. „Es wird mit der Kirche ums Dorf gefahren. Für die Schleesener gibt es nach Kemberg zum Beispiel keine Direktverbindung“, erklärte Müller. Der junge Familienvater schlug bei Facebook Alarm. „Das ist mit mir nicht zu machen!“, so der CDU-Mann. „Es gilt, zur vorherigen Regelung zurückzukehren und diese mittelfristig noch zu verbessern. Welcher Arbeitnehmer kutscht täglich drei Stunden hin und zurück, um auf Arbeit zu kommen? Und hier sollen und wollen wird das den Kindern zumuten?“, so Müller, der dafür den Verantwortlichen beim Namen nannte: Es sei der Landrat.

Grundschüler sollen nur 90 Minuten fahren

Und Jürgen Dannenberg (Linke) dementierte die Zahlen nicht und war trotzdem über den Frontalangriff in den sozialen Medien verwundert. „Es ist doch merkwürdig“, sagte der Verwaltungschef. Schließlich habe man sich verständigt, dass über den ersten Entwurf noch geredet werden könne. Die Vorlage der Verwaltung fällt dann in der Debatte auch krachend durch. In der vergangenen Woche gibt es im Kreisausschuss die große Kehrtwende. Darüber informiert Müller wieder in den sozialen Medien. Demnach dürfen Grundschüler nun nicht mehr länger als zwei Stunden pro Tag auf Tour sein. Für Sekundarschüler und Gymnasiasten sind 2,5 Stunden das Maximale.

Das klingt gut, ist es aber nicht. Mit diesen Zeiten werden die Empfehlungen des Magdeburger Bildungsministeriums immer noch nicht erreicht. Pressesprecher Stefan Thurmann nennt dafür ein Beispiel: Die Landesregierung mutet den Grundschülern maximal 90 Minuten zu.

„Wir müssen auf die Veränderung der Schuleinzugsbezirke reagieren. Der Kreistag hat aber Gestaltungsspielraum“, betont dazu Landratsvize Jörg Hartmann (CDU). Zwei, drei Busse zusätzlich zu ordern, sei kein Problem. „Aber was ist bezahlbar? Das ist die spannende Frage“, so Hartmann. Eine ausreichende Gestaltung der Kommunalfinanzen durch Bund und Land wäre da hilfreich. Dass es aktuell in Wittenberg um Finanzen geht, glaubt Müller indes nicht. „Dass das Kürzen der Wartezeiten automatisch Kosten verursacht, konnte die Verwaltung nicht belegen“, so Müller. (mz)